העבודה בכיוונים - Die Arbeit in Kivunim

Was ist Amutat Kivunim?


Kivunim“ bedeutet "Richtungen" und ist eine gemeinnützige Organisation, die 2003 von und für junge Menschen mit Behinderungen gegründet wurde. Jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 40 Jahren mit überwiegend körperlichen Behinderungen (Störung der Sinnesverarbeitung, chronischen krankheitsbedingten Störungen, Hirnverletzungen, Schwerhörigkeit oder Autismus), die aber alle über normale kognitive Fähigkeiten verfügen, wird hier die Möglichkeit gegeben, von zuhause auszuziehen und selbstständig/eigenständig zu leben. Praktisch sieht das so aus, dass die Teilnehmer unter der Woche hier in Nahariya in Wohngemeinschaften leben. Das Programm ist für jeden zugänglich, egal welcher sozialen oder ethnischen Herkunft oder Religion.
Es gibt zwei verschiedene Hauptprogramme: eines für die jüngeren Participants, die in und mit ihren Wohngruppen noch ein recht festes Programm haben. Jeder macht seinen Zivildienst, doch am Nachmittag gibt es verschiedene Aktivitäten mit der Gruppe, bei denen jeder mitmachen soll. Es wird außerdem gemeinsam gekocht und geputzt. Die älteren Participants sind im „Adult program“, in dem sie ebenfalls in WGs leben, doch dort geht jeder mehr oder weniger individuell seinem eigenen Leben nach. Die Participants haben entweder außerhalb von Kivunim einen Job oder arbeiten zum Beispiel im „Shop for meaning“ von Kivunim. Wenn sie gegen Mittag von der Arbeit nach Hause kommen, können sie ihre Freizeit gestalten wie sie möchten, wobei es trotzdem Treffen oder Angebote gibt, an denen sie teilnehmen können.
Je nach Einschränkung wird Kochen, Putzen, Einkaufen mehr oder weniger eigenständig geregelt.

https://www.kvn.org.il/english/

Ende Oktober haben Vanessa und ich dann entschieden, wer in welchem Programm arbeiten wird - und so bin ich in dem "Adult-Bogrim" gelandet. Das heißt für meinen Arbeitsplan, dass ich nicht immer am gleichen Ort arbeite. Zwar bin ich in den letzten Wochen jetzt vor allem in einer WG tätig, doch vor allem in der Anfangszeit und auch jetzt bin ich teilweise in der Woche in ganz Nahaiya unterwegs. Genau so, wie ich keinen festen Arbeitsort habe, habe ich auch keine wirklich feste Arbeitszeit (z.b. von 14:00-20:00). Mit den Participants, denen ich helfe, bin ich im Kontakt, wann und bei was sie meine Hilfe brauchen. So begleite ich mal jemanden zum Einkaufen, zu Meetings und oft bin ich aber auch einfach nur bei ihnen, wir unterhalten uns, essen zusammen oder schauen einen Film.

Ausflug zum Kinneret

Gleich zu Beginn sind wir Anfang November auf einen 2-tägigen Ausflug zum See Genezareth und auf die Golanhöhen gefahren. Es waren meine zwei ersten richtigen Arbeitstage und ich wurde somit schon mal gleich in kalte Wasser geworfen. Ohne große Vorbereitung (und Kenntnisse) habe ich gleich alles mitgemacht: vom Rollstuhl schieben über Klamotten wechseln bis hin zum Essen gehen. Trotzdem war es eine wunderbare Möglichkeit viele der Participants kennen zulernen und nahezu alle Tätigkeiten, die in den nächsten Wochen Alltag werden sollten, einmal zu erleben. 
An einem der Tage sind wir nach Chammat Gader gefahren, eine Thermalquelle an der jordanischen Grenze am Fluss Jarmuk, die schon von den Römern genutzt worden ist.
Zwei der Mädels, mit denen ich schon auf dem Trip am meisten gemeinsam gemacht habe, Liat und Hanna, leben in der WG, in der ich mittlerweile am öftesten bin. 

Meine Zeit mit Adi und in ihrer WG

Adi und ich
Dort (↑) lebt auch Adi. Sie ist 27 Jahre alt und schon seit sechs Jahren in Kivunim. Sie braucht aufgrund ihres Syndroms bei fast allem Hilfe und braucht für viele Dinge sehr lange. Sie ist sehr liebenswürdig und wir sind inzwischen sehr eng. Oft weiß ich schon, was sie braucht oder sagen möchte, bevor sie es gesagt hat. Das Ziel ist aber, dass die Participants selbstständig werden und Dinge tun, die ihnen zuhause meistens hinterher getragen werden. Vor allem Adi glaubt viele Dinge nicht zu können oder zu schaffen, und wenn wir es dann gemeinsam probieren und ich neben ihr stehe, ist sie selber ganz erstaunt, dass sie sich ihren Tee selber kochen konnte oder sie die Wäsche selber in den Trockner getan hat. Jeden Sonntag gibt es vom "Bogrim" ein Treffen in einer der WGs, wo gemeinsam geredet, gespielt und gegessen wird. Ich fahre vorher immer zu Adi und wir nehmen dann gemeinsam ein Taxi. Danach fahre ich mit ihr auch wieder zurück und bin meistens noch in der WG mit den anderen, bis jeder ins Bett geht.

Adi kann sehr gut singen und hat jeden Dienstag in Akko Chorprobe, wohin ich sie begleite. Somit singe ich jetzt auch in dem Chor, der vor einigen Jahren als soziales Inklusions-Projekt entstanden ist. Ende Dezember hat der Chor ein Lied sogar in einem Studio aufgenommen und so habe ich den Tag dort verbracht. Wenn das Video online ist, verlink ich es hier.


Liat und ich

Anfangs habe ich noch sehr viel mit Adi gemacht, doch mittlerweile weiß ich, für was sie meine Hilfe braucht und was sie alleine schafft, und so habe ich in den letzten Wochen auch immer mehr mit Liat und Hanna machen können. Vor allem mit Liat verstehe ich mich sehr gut und wir haben jeden Tag unsere ganz eigene "Quality-time", wie sie es nennt. :) 
Das Apartment von Hanna, Liat und Adi war die einzig konstante WG in den letzten Monaten. Daneben, gab es immer wieder andere Participants, mit denen ich für eine kurze Zeitperiode gearbeitet habe.


Meine Zeit mit Tamar

Von Ende Oktober bis Anfang Dezember durfte ich mit Tamar zusammen arbeiten. Sie ist, genau wie ich 19 Jahre alt und war damit, im Vergleich zu den anderen Participants recht jung, doch sie hatte sich in dem Programm für die Jüngeren nicht wohlgefühlt. Durch ihre Krankheit war es für sie und für alle anderen recht schwer, sich in eine Wohngemeinschaft einzufinden und generell hörte ich oft "Oh wow, du arbeitest mit Tamar zusammen - das muss schwer sein". Doch das war es überhaupt nicht. Ich bin mit Tamar dreimal die Woche für eineinhalb Stunden spazieren gegangen und habe sie so auf eine ganz andere Weise kennengelernt. Wir haben uns viel unterhalten und es war spannend zu sehen, wie unsere Leben in manchen Hinsichten so unterschiedlich, in anderen so gleich sind. Tamars Laufgeschwindigkeit war dabei ganz schön sportlich und ich war froh, mit ihr mithalten zu können.
Ein paar Mal habe ich Tamar auch am Donnerstagabend mit dem Zug nach Hause begleitet. Meistens hat sie im Zug geschlafen. Tamar hatte, wie einige andere Participants in Kivunim, eine "Mitapelet"/einen "Mitapel", d.h. eine Pflegerin/einen Pfleger, die/der sich 24/5 um sie gekümmert hat. Von diesen Mitapelot gibt es in Israel sehr sehr viele, die meisten von ihnen kommen aus Indien oder den Phillipinen und haben ihre Familien zurückgelassen, um hier in Israel Geld für Eltern, Schwiegereltern, Kinder und Ehepartnern zu verdienen. Tamars Mitapelet hat sie nach einigen Wochen verlassen und als ihre neue Pflegerin kam, habe ich im gleichen Zuge auch Tamars Eltern kennengelernt. Sie waren super nett und es war spannend zu sehen, "aus welchem Hause" Tamar kommt, nach all dem, was sie mir erzählt hatte.
Letztendlich konnte Kivunim Tamar nicht die Hilfe zu Verfügung stellen, die sie in ihrer jetzigen Lebenslage bräuchte. Das ist zwar schade, und auch ich war dann doch recht traurig als ich davon erfahren habe, aber vielleicht ist Tamar in drei Jahren an dem Punkt, dass sie, auch aus ihrem Willen heraus, eigenständiger/selbstbestimmter leben kann und möchte.


Meine Zeit mit Yael

Meine Zeit mit Yael war leider recht kurz, aber sehr schön, herausfordernd und bereichernd. Yael kam Ende November zu Kivunim, doch sie war hier schon mal vor einigen Jahren. Als sie kam, war ihre gesundheitliche Situation recht stabil, somit hatte man Hoffnung. Meine Aufgabe war es, sie teilweise am Donnerstagabend nach Hause zu begleiten, oder auch am Sonntagmorgen vom Zug in Tel Aviv abzuholen. Diese Begleitung nehmen mehrere Participants in Anspruch. Viele von ihnen kommen nicht aus dem Norden des Landes und fahren jedes Wochenende nach Hause. Manche von ihnen haben Angst alleine mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren und da ist es gut, wenn einfach jemand mit dabei ist. So war es auch bei Yael. Leider hat sie überhaupt kein Englisch gesprochen und mein Hebräisch noch nicht so gut, dass ich alles verstehen kann. So haben wir uns mit meinen Fetzen Hebräisch unterhalten oder Google Übersetzer zur Hilfe geholt. Meistens hat Yael aber auch im Zug geschlafen. Als ich sie einmal in ihrer Wohnung in Naharija besucht habe, haben wir uns lange und ausführlich unterhalten und sie hat mir von ihrer Gehirn-Operation erzählt, die sie vor etwa eineinhalb Jahren hatte, und die ihr das Leben gerettet hat. Mich hat dieses Gespräch in vielen Hinsichten erstaunt. Yael sieht man ihre Krankheit erstmal gar nicht an, deshalb war ich so überrascht, wie ernst ihre Situation aber eigentlich ist und es ist ein Wunder, dass sie am Leben ist. In den paar Wochen, in denen sie in Kivunim war, hat sich ihre Gesundheit leider unvorhersehbar in ein recht unkontrollierbares Stadium verschlechtert, sodass sie nach einigen Wochen Kivunim wieder verlassen hat. Auch wenn ich nicht sehr viel Zeit mit ihr verbracht hat, hat sie mich sehr beeindruckt. Während der Zeit mit Yael ist mir eines sehr deutlich geworden, was bei der Arbeit mit Menschen mit Behinderung häufig vorkommt: Als Außenstehender, Guide, Sozialarbeiter oder Familienangehöriger sieht man in erster Linie die Dinge, die die Menschen nicht tun können, in welchen Aspekten sie eingeschränkt sind und wie ihre aktuelle Situation ist, ohne dabei darauf zu achten, was der Mensch in den letzten Jahren und Monaten schon alles erreicht oder gelernt hat. Yael hat in ihrem Leben schon ganz schön viel durchgemacht und ich sehe in ihr vor allem das, was sie daraus gemacht hat und wie erstaunlich gut ihre Situation in Anbetracht dessen schon wieder ist.


Bogrim - Meeting in Yavne

Jeden Sonntagabend findet ein Meeting in einer der WGs statt, wo zusammen gegessen und geredet wird. Am Anfang wird besprochen, was diese Woche so ansteht, ob es besondere Angebote oder Termine gibt und dann gibt es immer einen Programmpunkt von einem/einer der Participants. Für mich ist es eine wunderbare Möglichkeit, viele andere Participants kennenzulernt, bzw. regelmäßig zu treffen, mit denen ich ansonsten im Alltag keinen Kontakt habe.


Mein Harry Potter Erlebnis mit Eden


Mein ganzes Leben dachte ich mir "ich mag keine Fantasy-Bücher, warum sollte ich dann Harry Potter lesen". Ich weiß jetzt im Nachhinein, dass das ein Fehler war - aber gut.

Eden und ich haben uns bei den Bogrim-Meetings in Yavne kennengelernt und uns auf Anhieb ziemlich gut verstanden. Waldorfschule, Umweltbewusstsein, Klassische Musik, die Liebe zu Tieren, Glühwein, Maronen, Alpen und so weiter... - Eden hat einige Wochen am Starnberger See und in München verbracht und ist daneben mit den gerade genannten Dingen deeply connected - wie ich.;)  Er spricht etwas Deutsch und hat mich gefragt, ob ich mal zu ihm kommen könnte, um sein Deutsch wieder etwas auszufrischen. Bei diesem Treffen hat er herausgefunden, dass ich weder Harry Potter gelesen, noch gesehen habe und in dem Moment ist glaube ich eine kleine Welt in ihm zusammengebrochen. Deutschkenntnisse waren also von nun an nebensächlich, es ging jetzt um meine Bildungslücke und darum, diese so schnell wie möglich zu schließen. Und so haben wir angefangen, Harry Potter zu schauen. Für die acht Filme haben wir insgesamt glaube ich vier Wochen gebraucht, meistens bin ich Mittwochs nachdem ich mit Liat, Adi und Hanna fertig war, zu ihm und wir sind bei Glühwein und gerösteten Maronen in die Harry Potter Welt eingetaucht. Irgendwie habe ich es geschafft, jedes Mal meine Neugier für eine Woche in Grenzen zu halten. Als wir von ein paar Tagen den letzten Film beendet haben, hat Eden mit sogar meinen ganz eigenen "Wand" (Zauberstab) geschenkt. Solange ich die Bücher nicht gelesen haben, bin ich laut ihm aber noch nicht offiziell Teil der Harry Potter Welt - das muss wohl noch warten, bis ich wieder in Deutschland bin.
Es war aber schon für jetzt ein unvergessliches Erlebnis. 😍
Die Bike-activity

Jeden Montag findet das gemeinsame Fahrradfahren statt. Hier kommen vor allem die Participants aus dem jüngeren Programm (also aus dem ersten und zweiten Jahr) zusammen und wir fahren Tandem, Singles, oder alle anderen Gefährte, die den Participants zu Verfügung stehen. Gleich am Anfang habe ich gelernt, Tandem zu fahren und so habe ich nun jede Woche einen Partner. Einige der Participants machen eine kleine Runde um den Block, der Rest von uns schließt sich zusammen und wir fahren entweder am Strand entlang, mal Richtung Norden oder in den Süden nach Akko.
Es macht echt super viel Spaß und ich kann so auch die jüngeren Participant regelmäßig zu sehen.





Koch-Klasse

Im neuen Jahr haben wir angefangen, jeden Mittwoch gemeinsam zu kochen. Jeder der möchte, kann mitmachen, meistens sind wir so acht Leute. Manchmal kochen wir nur vegetarisch, doch meistens kochen wir etwas mit Fleisch und eine vegane Alternative (da sich ein Participant vegan ernährt). Lasagne, Bourekas (türkische Blätterteigtaschen, traditionell gefüllt mit Hackfleisch), Gnocci, Cookies, asiatische Nudelpfanne, Kuba (israelische Fleischbällchen in Suppe) und vieles mehr - nicht immer sieht es aus wie vom Chefkoch, aber es schmeckt jedes mal. Manchmal ist es bisschen schwierig einzuschätzen, ob das mit dem Karotten-schneiden jetzt so klappt, aber die Participants kennen meistens ihre Fähigkeiten und wenn es nicht geht, findet man schnell was anderes.


Insgesamt macht die Arbeit in Kivunim echt Spaß, doch es ist auch immer wieder herausfordernd. Doch genau all diese Herausforderungen anzunehmen, macht meinen Alltag nicht langweilig und ist in vielen Hinsichten sehr bereichernd. Wir treffen uns alle zwei Wochen mit einem Sozialarbeiter/unserem Betreuer in Kivunim und können Situationen nochmal reflektieren oder Schwierigkeiten besprechen. 

Ich bin gespannt, was in den nächsten Wochen so passiert - nächste Woche geht es auf jeden Fall nach Tel Aviv für ein Seminar für das ganze Team von Kivunim, dann ist Purim und auch bald Pessach.
Liebe Grüße ☀️



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