שלום ירושלים



Seminar in Hirschluch

Am 2. September ging es los!
Vollgepackt mit ewig vielen Dingen und mehr oder weniger vielen Erwartungen auf das was kommt, ging es zunächst nach Hirschluch, ein winziger Ort außerhalb von Berlin. Aktion Sühnezeichen Friedensdienste veranstaltet dort jedes Jahr das Vorbereitungsseminar für alle Freiwilligen, die von dort dann eine Woche später in alle verschieden Länder und Abenteuer aufbrechen. Mit insgesamt 150 Menschen auf einem Flecken zu leben, ist durchaus herausfordernd, doch es ist gleichzeitig auch sehr spannend, so viele Menschen kennen zu lernen und durch Spiele und Gespräche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zu finden. In Kleingruppen, sogenannten TABs (Thematische ArbeitsBausteine), Vorträgen und kreativen Programmpunkten wurden, bzw. konnten wir uns auf das kommende Jahr schon ein wenig vorbereiten. Die Kleingruppen waren nach den Projektbereichen eingeteilt, d.h. ich war mit ca. 11 anderen Personen in einer Gruppe, die alle mit Menschen mit körperlichen Behinderungen zusammen arbeiten. Wir haben nicht nur über den Begriff "Behinderung" diskutiert und versucht ihn zu definieren, sondern haben auch ganz praktisch versucht zu erleben, wie es sich anfühlt, körperlich eingeschränkt zu sein.



An einem anderen Tag ging es um die Geschichte von ASF und wir haben uns mit dem Verständnis der "Sühne" auseinander gesetzt. Meine Generation ist ja nicht wirklich dafür verantwortlich, was damals passiert ist. Auf den ersten Blick könnte man sich also leicht der Verantwortung entziehen und sagen, "wir müssen ja wohl keine Sühne zeigen". Doch vielleicht greift der Begriff weit über das übliche Verständnis hinaus. Als Nachgeborene stehen wir jedoch in einer gewissen Verantwortung, und vielleicht fließt diese genau da mit rein. Ist es die Verantwortung für die Folgen des Nationalsozialismus, der wir nachkommen sollen? Ist es die Frage nach den Täterinnen und Tätern und deren Motiven, nach unendlich vielen Mitläuferinnen und Mitläufern? Sind es die Zeichen des Gedenkens und Erinnerns, die den Sühnebegriff mit konkreten Taten füttert? Bei all dem bin ich glaube ich noch nicht auf eine endgültige Definition gekommen. Ich denke, dieser Begriff wird mich in den nächsten Monaten noch öfter beschäftigen, wenn ich mit Holocaustüberlebenden spreche oder mich anderweitig mit der Vergangenheit auseinander setzte. Vielleicht weiß ich in 12 Monaten, was für mich "Sühnezeichen" im Bezug auf die NS-Vergangenheit sind und was ich alles damit verbinde.

Ein Vortrag über Antisemitismus, einer Wanderung durch die brandenburgischen Kiefernwälder mit Primo Levi, ein Archivworkshop im Jüdischen Museum in Berlin, eine Stadtführung durch Berlin auf den Spuren jüdischen Lebens, abends noch im See schwimmen, viel Singen und viele Runden Ninja und Werwolf - all das war Teil der intensiven Woche in Berlin. Am letzten Sonntag wurden wir alle noch in verschiedenen Berliner Kirchengemeinden für das kommende Jahr gesegnet.




Und dann war es auf einmal Montag Abend. Seit ein paar Stunden liefen schon die Vorbereitungen für die große Abschlussparty, jede Ländergruppe hatte anschließend ihr Land vorgestellt. Ob das ein Lied war, eine Modenschau oder eine Sicherheitskontrolle am Flughafen auf dem Weg nach Tel Aviv - wir waren alle sehr kreativ und haben uns bemüht unsere Beiträge nicht mit zu vielen Vorurteilen und Klischees zu belasten. Anschließend feierten wir bis spät nachts. Nur wenige von uns "Israelis" sind zwischen Party und Abfahrt nochmal ins Bett gegangen. Denn um 3:00 Uhr nachts kam unsere Bus und die meisten von uns haben bis dahin durch gemacht und sind dann auf dem Weg zum Flughafen für ca. eine Stunde eingeschlafen. Durch die Sicherheitskontrollen sind wir alle easy gekommen, um 7:15 ging schließlich unser Flug nach Tel Aviv, wo wir Mittags gelandet sind.
Vom Flieger aus konnten wir schon den trockenen Boden der vielen kleinen Hügel sehen, die das Land formen und sobald wir aus dem Flugzeug stiegen, haben auch wir die Hitze gespürt. Nach einer Woche recht verregnetem Berlin, war dies definitiv ein recht heftiger Kontrast. Mit einem Bus sind wir dann erst mal über das gesamte Flughafengelände gefahren. Unsere Einwanderung verlief eigentlich recht gut. Für unser Visum wurden uns zunächst unsere ganzen Reisepässe abgenommen und wir standen kurzweilig ein wenig verloren da. Aber es hat alles nicht lange gedauert und schon standen wir mit unserem Gepäck am Bus nach Jerusalem.
Eingangstor am Ben Gurion Flughafen Tel Aviv

So sehr ich mich auch bemühte meine Augen offen zu halten, das nächste was ich gesehen habe, waren die Straßen und Häuser der heiligen Stadt - dass ich nun hier bin, hab ich vielleicht bis jetzt noch nicht wirklich realisiert.

Orientierungstage in Jerusalem

In der internationalen Begegnungsstätte von ASF in Jerusalem, dem Bei Ben Yehuda, wurden wir schließlich sehr herzlich von Guy (unserem Betreuer) und dem ganzen Team mit einem unglaublich leckeren israelischen Buffet empfangen. Abends sind wir noch gemeinsam zur Ha´as Promenade gegangen, von der man einen wunderschönen Blick auf die Hügel Jerusalems hat. Man sieht auf die Alt- und Neustadt, West- und Ostjerusalem und bei Tageslicht auch auf die Mauer. Beim Blick auf dieses Stadt dachte ich mir vor allem eines: Was hier wohl schon alles passiert ist...

 Am nächsten Tag folgte unsere erste Einkaufstour und damit die erste Erfahrung mit den (hohen!) israelischen Lebensmittelpreisen...


Abends haben wir einen Rundgang zum Mahane Yehuda Markt gemacht. Der erste Halt war an der ersten Bahnstation Jerusalems, die bis 1998 als Hauptverkehrsroute der Stadt diente und heute als Kulturpark genutzt wird. Es gibt kleine Stände, vielfältige kulinarische Angebote und hippe Konzerte und Kunstwerke. Zur Zeit hängt dort das Kunstprojekt "Namaste", das die Koexistenz der verschiedenen Religionen in Jerusalem thematisiert.








 



















Weiter ging es in Richtung Altstadt zur Montefiore Windmühle, die 1862 errichtet wurde, um den Bewohnern Arbeit zu geben und von der man einen wunderbaren Ausblick auf den Zionsberg und auf den Osten Jerusalems hat. In nicht all zu weiter Ferne sieht man die Mauer zwischen Jerusalem und dem Westjordanland - gleich dahinter sieht man die palästinensischen Wohnblöcke.
Wenige Minuten später kommt man zum King David Hotel, vorbei am YMCA und dem Waldorf Astoria. Von der Jaffa Street ging es dann schließlich zum Markt, der recht unscheinbar plötzlich links anfängt. Alte, heruntergekommene Stände und Nischen prägen das Bild der Marktgassen und sobald man einen Schritt hinein wagt, wird man mitgezogen von endlos vielen Menschen, hundert verschiedenen Gerüchen nach Datteln und getrockneten Früchten, Kurkuma, Falafel, Kaffee, Bak Lava und frisch gebackenem Brot und der Neugier, was denn wohl als nächstes kommt. Nachdem wir (gefühlt!) überall einmal waren, haben wir uns Falafel, bzw. Sabich und vier verschiedene Sorten Bak Lava gegönnt - es was ein Fest!



Als wir auf eigentlich schon wieder auf dem Weg nach draußen waren, konnte man aus den Gassen eine Menschengruppe hören, die laut getrommelt, gesungen und geklatscht hat. Viele hatten Israel-Fahnen in der Hand, in mitten der Menge konnten wir einen Mann erkennen, der umzingelt von Sicherheitsmännern war. Nachdem wir uns umgehört haben, wussten wir, was vor sich geht: Mosche Jaalon von der "Kachol Lavan" Partei, einer der Gegenkandidaten Netanjahus, macht gerade Wahlkampf und erhofft sich durch die Aktion mehr Stimmen. Die Aufregung schien groß zu sein, auch wenn sich manche Leute unbeirrt weiter durch die Gassen, vorbei an den lauten Menschen drängten. Wir waren gerade mal zwei Tage in Israel und gleich so was - Politik ist in Israel halt schwer vom alltäglichen Trubel zu trennen, besonders eine Woche vor der Wahl.
Auf dem Weg nach Hause sind wir dann noch an einem Gebäude vorbei gekommen, vor dem endlos viele Wahlplakate der Partei Likud (Netanjahus Partei) lagen. Ein Auto war ebenfalls vollgeschmückt mit einem großen Portrait Bibis, Wahlslogans und Aufklebern. Etwas abgefahren, aber auf jeden Fall zwei intensive Eindrücke.

 
 
Während der zwei Wochen hatten wir außerdem einen unglaublich hilfreichen und spaßigen Hebräisch-Kurs, in dem wir vor allem durch Spiele und Lieder ein Gefühl für die Sprache bekommen haben und uns die ersten Vokabeln aneignen konnten. Mit "Twister" lernten wir beispielsweise die Farben, mit "UNO" die Zahlen und mit "Wer bin ich" Gesichts- und Körpermerkmale. Neben Kinderliedern, haben wir auch den Alef-Bet-Song und das "Shana Tova-Lied" gelernt. 
 

An unserem ersten Freitagabend sind wir gemeinsam in die Synagoge gegangen und durften dort den Gottesdienst miterleben, was sehr eindrücklich war. Anschließend haben wir uns in Gastfamilien aufgeteilt und ich konnte mit Vanessa, Vitus und Jakob das Kiddush und viele interessante Gespräche bei einer amerikanisch-israelischen Familie genießen. Der Abend hat uns mal wieder eine andere und ganz persönliche Sicht auf Israel gegeben.


Abends hatten wir häufig Plenumsdiskussionen oder Vorträge. Mal ging es um die israelische Gesellschaft, ein anderes Mal um den Dialog zwischen Islam, Judentum und Christentum, mal um die Israel Defense Force, es waren Vertreter des israelischen Außenministeriums zu Besuch und an einem Abend haben wir gemeinsam die Wahlergebnisse analysiert. Zu solchen einzelnen Themen werde ich sicher mal einen extra Post schreiben. Sehr schön dabei war, dass die Referenten fast ausschließlich aus dem ASF-Freundeskreis in Jerusalem waren, bzw. Freunde von Guy und somit eine sehr familiäre und offene Atmosphäre entstanden ist, die gleichzeitig aber doch auch sehr divers war und verschiedene Standpunkte und Meinungen in den Raum gestellt hat.
In der zweiten Woche haben wir uns einen ganzen Tag lang nur mit dem Nahostkonflikt beschäftigt und die UN-Vollversammlung zum UN-Teilungsplan 1947 nachgespielt. Zwar war es etwas chaotisch, und sicher nicht so wie es damals war, aber es war sehr interessant sich in die Rolle eines Landes oder Vertreters hineinzuversetzen und somit recht intensiv die einzelnen Positionen kennen zu lernen.

Ich war Teil des Arab Higher Commitee



Unseren Besuch im Yad Vashem werde ich sicher so schnell nicht vergessen. Einen ganzen Tag lang hatten wir Zeit, das riesige Gelände und das Museum zu erkundigen und auf uns wirken zu lassen und ich habe immer noch nicht alles gesehen. Die Ausstellung für sich überrumpelt einen schon mit unendlich vielen Informationen und Infomaterialien. Dazu kommt aber noch das ganze Gelände mit den vielen verschiedenen Skulpturen und separaten Denkmälern. Das Child Memorial habe ich mit Abstand als einen der eindrücklichsten Orte empfunden. Aus gerade mal 5 Kerzen und einigen Spiegeln entsteht eine Galaxie an kleinen Flammen, von der jede einzelne für Eine der ca. 1,5 Millionen kleinen Seelen steht, die von den Nazis ausgelöscht wurden und die in diesem Raum bleiben, wenn man als Besucher selber wieder hinaus ins Sonnenlicht tritt.
Am Ende des Tages war es glaub ich gar nicht mal so sehr das Thema Holocaust, was mich so zum Nachdenken angeregt hat. Es war viel mehr die Gedenkstätte, die, wie unser Guide gesagt hat "den Staat Israel" repräsentiert, bzw. eher den Umgang des Staates Israel mit dem Holocaust, was daraus resultiert oder eben auch nicht. Im Anschluss an unsere Führung hatten wir noch eine intensive Diskussion über die Architektur und den Fokus der Gedenkstätte, wie sich Israel zeigt, zeigen will oder zeigen sollte...

Eine Wanderung über die Hügel Jerusalems haben wir alle sehr genossen. Endlich mal raus aus der Stadt und sich ein bisschen auspowern. Ein Sprung in eine kleine Gumpe hat sich auf jeden Fall gelohnt, genauso wie der finale Ausblick vom Rubinstein Memorial mit einer israelischen Brotzeit.




Auch wenn sich jeder von uns schon Tage davor darauf gefreut hat, endlich nicht mehr aus dem Koffer leben zu müssen, in die eigenen WGs, Städte und Projekte zu fahren und die Vorfreude somit jedem Tag ein bisschen größer wurde, das Ende des Seminars kam (mal wieder) recht plötzlich. Am vorletzten Abend sind einige von uns noch in die Stadt und haben das Nachtleben Jerusalems erkundigt. Wir sind schließlich im Mazkeka hängengeblieben (sehr zu empfehlen!) und haben dort einen sehr interessanten, netten und etwas abgedrehten Abend verbracht, der sich zwischenzeitlich so gar nicht nach Jerusalem angefühlt hat. Ich hätte wahrscheinlich in jeder anderen Stadt der Welt sein können, aber nicht in Jerusalem. =)
Auch unsere gemeinsame Abschlussparty am Abend darauf war ein krönender und toller Abschluss einer intensiven gemeinsamen Zeit, aus der ich mehr Fragen als Antworten mitnehme, in der ich so viel neues lernen und erleben durfte, die neue Sichtweisen hervorgebracht hat und aus der ich vor allem aber eines schöpfe: enorm viel Lust auf all das, was nun kommt...


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