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!שלום וחג שמח
"Schalom ve Chag Sameach!" (Hallo und schönen Feiertag!)


Das Wochenende ist zwar schon vorbei, aber egal... In diesem Post soll es ein bisschen um die jüdischen Feiertage gehen, die ich in den letzten Wochen miterleben durfte, und um deren Hintergründe und Bedeutungen. Das erste Fest war das jüdische Neujahr "Rosch Ha-Schana", darauf folgend zehn Tage später das Versöhnungsfest Jom Kippur und anschließend das Laubhüttenfest Sukkot, das mit Simchat Torah endet.
Ich habe diese Feiertage alle mit meiner Gastfamilie hier erlebt, wobei die Familie nicht sehr religiös ist. Es war für mich also manchmal schwer einzuschätzen, ob das jetzt gerade nur die "Basics" sind, die wir beten/feiern, und wie sehr sich da die Rituale und Zeremonien in verschieden religiösen Familien unterscheiden. Außerdem sind die Feiertage geprägt von vielen eigenen/familiären Traditionen, die in anderen Kreisen so vielleicht nicht üblich wären - dies sind dann aber Details. Die Feiertage im Oktober sind (vor allem dann eben Jom Kippur) die höchsten des jüdischen Jahres und werden deshalb auch von vielen Menschen gefeiert, die sonst wohl eher keinen so intensiven Bezug zu ihrer Religion/ ihrem Glauben haben.
Fotos gibt es nicht viele, das wäre in den meisten Situationen unangebracht gewesen.
Bei Unklarheiten oder offenen Fragen, könnt ihr mir gerne schreiben!

Rosch Ha-Schana

Rosch Ha-Schana ist das jüdische neue Jahr und außerdem der Jahrestag der Weltschöpfung. Es geht zwei Tage lang (bis ins 13. Jahrhundert war es nur einen Tag lang) und gibt den Gläubigen die Chance, Bilanz zu ziehen über das moralische und religiöse Verhalten im vergangenen Jahr und durch Gebete um ein gutes neues Jahr zu bitten. Nach gregorianischem Kalender fällt der Feiertag jedes Jahr zwischen Ende September und Anfang Oktober. Dieses Jahr fing Rosch Ha-Schana am Abend des 30. September an und endete am Abend des 1. Oktober (der Tag beginnt/bzw.endet im Judentum immer am Abend mit Sonnenuntergang, vgl. 1. Mose 1,5)

"Und der HERR redete zu Mose und sprach: Rede mit den Kindern Israels und sprich: Am ersten Tag des siebenten Monats sollt ihr einen Feiertag halten, einen Gedächtnistag unter Posaunenklang, eine heilige Versammlung. Ihr sollt keine Werktagsarbeit verrichten, sondern dem HERRN Feueropfer darbringen."     (3. Mose, 23, 23-25)
 
Juden haben die Vorstellung, dass am ersten Tag von Rosch Ha-Schana das Buch des Lebens geöffnet wird und Gott in den nächsten zehn Tagen bis Jom Kippur (an dem das Buch wieder versiegelt wird) das kommende Jahr niederschreibt. Die Gläubigen haben also in diesen Tagen (auch die "erfurchtsvollen Tage" genannt) die Chance, Gottes Urteil durch gute Taten und Reue positiv zu beeinflussen.
Auch wenn das jetzt nicht so scheinen mag, Rosch Ha-Schana ist trotz dieses ernsten Hintergrunds ein fröhlicher Feiertag. Das große Essen am ersten Abend ist geprägt von vielen symbolischen Speisen, darunter vor allem auch viel Süßem, in der Hoffnung auf eine süßes neues Jahr. Unsere Gastfamilie hat an diesem Abend die ganze Familie eingeladen, wir waren um die 30 Leute. Begonnen haben wir das Festessen (wie an allen jüdischen Feiertagen) mit einem Gebet, bzw. der Segnung der verschiedenen Speisen.
Die Reihenfolge der einzelnen Segnungen habe ich leider nicht mehr im Kopf, spielt im Grunde aber auch keine wesentliche Rolle.
Es gab ein Fischgericht mit dem Kopf des Fisches, was mit diesem Satz (5. Mose 28, 13) gesegnet wurde:
"Und der HERR wird dich zum Kopf machen und nicht zum Schwanz, und du wirst immer aufwärtssteigen und nicht heruntersinken, weil du gehorsam bist den Geboten des HERRN, deines Gottes, die ich dir heute gebiete zu halten und zu tun."
Die Granatapfelkerne stehen für Fruchtbarkeit und man betete dazu: "Möge es dein Wille sein, dass unsere Rechte sich wie der Granatapfel mehren".
Datteln und in Weinblätter gewickelter Reis standen für die Bitte, von nichts Bösem entführt zu werden.
Sehr bekannt ist außerdem das Dippen kleiner Apfelscheiben in Honig, für ein süßes neues Jahr.

Ich habe das Essen als etwas chaotisch empfunden. Während der Vater schon das nächste Gebet gesprochen hat, haben andere noch über das vorherige geredet oder auch über ganz andere Dinge. Gleichzeitig wurde Vanessa und mir über den Tisch auch noch auf Englisch erklärt, was das jetzt alles bedeutet.
Wir hatten trotzdem einen tollen Abend, das Essen war lecker, ein paar interessante Gespräche kamen zustande und danach sind wir noch auf die Geburtstagsfeier unserer Gastschwester Inbar gegangen, die in einer Strandbar ihren 23. gefeiert hat.



Ein bedeutungsvoller Teil ist außerdem das Blasen der Shofar (das Horn eines Widders), welches sowohl an Rosch Ha-Schana, als auch an Jom Kippur eine große Rolle spielt. Ich habe es jedoch nur an Jom Kippur miterlebt. Die Töne (die in einer speziellen Reihenfolge geblasen werden) sollen zur Besinnung aufrufen und das Lob Gottes verkünden.

Wer mehr zu all dem erfahren möchte und auf Englisch einigermaßen fit ist kann gerne diesem Link folgen:
https://www.youtube.com/watch?v=1AuMXq5sHDw&t=181s

Am Tag zuvor haben wir übrigens noch Dattelkekse gebacken, die es in unserer Gastfamilie traditionell zu Rosch Ha-Schana gibt.
Hier das Rezept dazu - sehr lecker!
Zutaten für den Teig:
275gr Butter, 1kg Mehl, ca. 250ml Wasser oder Milch, 2 Päckchen Vanillezucker

Alle Zutaten werden mit den Händen gut verknetet und dann wird der Teig dünn ausgerollt. Mit Dattelpaste bestreichen und gehackte Walnüsse drüber streuseln. Zusammenrollen, in ca. 1,5cm dicke Stücke schneiden und bei ca. 180 Grad 12-15 Minuten backen.











Jom Kippur

Jom Kippur ist der Versöhnungstag und gleichzeitig der höchste Feiertag im Judentum. Es ist der Tag der Reue, Buße und Umkehr, denn "am zehnten Tage des siebenten Monats sollt ihr fasten und keine Arbeit tun, weder ein Einheimischer noch ein Fremdling unter euch. Denn an diesem Tage geschieht eure Entsühnung, dass ihr gereinigt werdet; von allen euren Sünden werdet ihr gereinigt vor dem Herrn“ (3. Mose 16, 29–30).
Der strenge Feiertag wird von fast allen Juden (egal ob strenggläubig oder nicht) gehalten und führt in Israel dazu, dass das ganze Land für 25 Stunden komplett still steht.
Jom Kippur beginnt am "Erev Jom Kippur" (am 9. Tischri, am Abend des Versöhnungstags) kurz vor Sonnenuntergang und wird 25 Stunden später mit dem Schofarblasen beendet. In diesen Stunden gilt strengstes Fasten: kein Essen, kein Trinken, Autofahren, Benutzen von elektronischen Geräten, das Benutzen von Fahrstühlen, jegliche Form von arbeiten und so weiter - quasi alles, was man sich erdenken kann, ist an diesem Tag verboten. Es gibt kein TV-Programm, keine öffentliche Transporte, Cafés, Restaurants und Läden haben geschlossen, sogar der Flugverkehr steht still und auch die Nachrichtendienste sind runtergefahren (das war auch der Grund dafür, dass wir hier erst am Ende Jom Kippurs von dem schrecklichen Attentat in Halle erfahren haben). Das Land steht vollkommen still - in Tel Aviv kann man auf der Autobahn Fahrrad fahren und auf den Straßen sind sehr viele Menschen unterwegs und kleine Kinder (die bis zum 12./bzw. 13. Lebensjahr das Fasten noch nicht halten müssen) flitzen mit Fahrrädern, Roller oder anderen Fahrzeugen rum.
Sich dem Fasten zu entziehen ist kaum möglich und man sollte es eher nicht wagen in der Öffentlichkeit zu essen, trinken oder aufs Handy zu schauen...
In der Torah (3. Mose 16,31-32) steht es so:
"Ihr sollt keine Arbeit verrichten. Das ist eine ewig gültige Ordnung für eure Geschlechter an allen euren Wohnorten. Ihr sollt Sabbatruhe halten und eure Seelen demütigen. Am neunten Tage des Monats, am Abend, sollt ihr die Feier beginnen, und sie soll währen von einem Abend bis zum andern."
Viele Gläubige verbringen die meiste Zeit in der Synagoge um zu beten. Es gibt ein extra Gebetsbuch zu Jom Kippur, welches in diesen 25 Stunden einmal komplett gelesen wird. Vor allem zum ersten Gebet, dem "Kol Nidrej" und zum letzten Gebet und dem Blasen der Schofar sind sehr viele Menschen in der Synagoge.


Die Küche ist bereits geschlossen
Die zwei Shabbat-Kerzen und
eine Erinnerungskerze für die
Verstorbenen der Familie 
Vanessa und ich wurden von unserer Gastfamilie zum letzten Essen vor dem Beginn des Fastens eingeladen und sind anschließend auch mit ihnen in die Synagoge gegangen. Die letzten paar Minuten waren besonders. Das Fasten begann um 17:50 und alles wurde so geplant, dass man noch Zeit zum Tee trinken hatte. Wir spürten, wie die Aufregung größer wurde: alles Geschirr wurde noch weggeräumt, Tal (die Mutter) erklärte die Küche offiziell für geschlossen, Enav (eine der Schwestern) scheuchte jeden nochmal zum Wasserspender, Tal und die Töchter haben drei Kerzen angezündet und ein Gebet gesprochen und um Punkt 17:50 wünschten wir uns gegenseitig "Zom kal" - ein leichtes Fasten.

Nach der Synagoge sind wir, wie die meisten anderen Bewohner Naharijas auch, durch die Straßen gezogen. Das Ziel der Schwestern war es, so lange wie möglich wach zu bleiben, damit das Fasten am nächsten Morgen nicht so schwer wird.
Am nächsten Tag haben wir uns wieder in der Synagoge zum Abschlussgebet getroffen. Alle Menschen waren in weiß gekleidet. Das Blasen der Schofar war der Höhepunkt und wurde immer wieder durch Gebete (gesprochen und gesungen) unterbrochen. Die Stimmung war bewegend, besonders auch deshalb, weil ich miterleben durfte, welche Bedeutung dieser Moment für meine Gastmutter und Gastschwestern hat. Sie haben sich zusammengeschlossen, in den Arm genommen (Vanessa und ich wurden auch dazu geholt) und gemeinsam gebetet und gesungen. Erleichterung und das Gefühl gesegnet zu sein füllte den Raum.


Sukkot

"Und der HERR redete zu Mose und sprach: Rede mit den Kindern Israel und sprich: Am fünfzehnten Tage des siebenten Monats soll dem HERRN das Laubhüttenfest gefeiert werden, sieben Tage lang." (3. Mose, 23, 33-34)

Sukkot ist im Deutschen als das "Laubhüttenfest" bekannt und beginnt fünf Tage nach Jom Kippur. Es ist neben Pesach und Schawout eines der drei Wallfahrtsfeste im Judentum. Schon in der Zeit des Zweiten Temples (515. v.Chr. -  70 n.Chr.) pilgerten die Juden zu diesem Fest nach Jerusalem, um im Tempel Opfer darzubringen. Eigentlich erinnert das Fest aber an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und den Aufenthalt in der Wüste. Dort sollen sie in einfachen Hütten Schutz gefunden haben. Folglich befiehlt Gott den Juden, eine Woche im Jahr genauso zu leben (vgl. 3. Mose 23, 42f.). Die "Laubhütten" werden "Sukka" genannt und sind provisorische Hütten aus Latten, Zweigen, Blättern und Stoff, die meist in Innenhöfen oder Gärten stehen. Große Wohnhäuser haben hier in Israel oft auch eine Gemeinschafts-Sukka, andere sind auf Balkonen gebaut. In den Sukkas wird gegessen, gefeiert und gebetet, manche Juden schlafen sogar in ihnen.
Wie diese Sukka auszusehen hat, steht nicht in der Torah. Generell sind viele der Traditionen und Vorschriften für Sukkot nicht auf die fünf Bücher Mose, sondern auf den Talmud und die Mishna zurück zuführen. Beides sind Regelbücher des Judentums, in denen erklärt wird, wie die religiöse Praxis der vielen Gebote und Verbote und anderen Anordnungen aus der Torah konkret auszusehen haben. Für Sukkot stehen dort (u.a.) die Regelungen bezüglich der Sukka drinnen: Sie soll unter freiem Himmel sein, soll mit Blättern, Palmenzweigen und Laub bedeckt sein und nachts soll man durch das Dach die Sterne sehen können. Auch das Zusammenbinden und Wedeln der "Lulav" (das sind viel Pflanzenarten, vgl. 3. Mose 23, 40) in alle vier Himmelsrichtungen und nach oben und unten genauso wie der Brauch der Ethrog (einer Zitrusfrucht), wird dort festgelegt.
In der Torah spricht Gott außerdem ausdrücklich und immer wieder von einem fröhlichen Fest, welches Sukkot sein soll:
"Das Fest der Laubhütten sollst du sieben Tage lang halten, wenn du den Ertrag deiner Tenne und deiner Kelter eingesammelt hast. Und du sollst an deinem Feste fröhlich sein, du und dein Sohn und deine Tochter und dein Knecht und deine Magd und der Levit und der Fremdling und die Waise und die Witwe, die in deinen Toren sind.
Sieben Tage lang sollst du dem HERRN, deinem Gott, das Fest halten an dem Ort, den der HERR erwählt hat; denn der HERR, dein Gott, wird dich segnen im ganzen Ertrag deiner Ernte und in allen Werken deiner Hände; darum sollst du fröhlich sein." (5. Mose 16, 13-15)

Ich habe den ersten Abend von Sukkot mit meinen Gastschwestern erlebt, in einer Sukka von Freunden. Tatsächlich bin ich aus diesem Fest nicht wirklich schlau geworden, deshalb habe ich vieles danach selber nachgelesen. Die Tochter der Gastgeberin hatte an diesem Tag auch Geburtstag und ich hatte das Gefühl, der Feiertag geht darin ein bisschen unter. Das Gebet am Anfang wurde nur runtergeleiert und das war´s. Das Essen war trotzdem lecker. ;)
Das zweite Sukkotwochenende waren Vanessa und ich in Jerusalem. Zwar habe ich die Zeit so in keiner Familie miterlebt, aber allein durch die Stadt zu laufen, die Sukkas auf den Straßen zu sehen und sehr, sehr viele (Ultra)orthodoxe Juden mit den Wedeln und der Ethrog in der Hand an der Western Wall zu beobachten, war eindrucksvoll genug.

Eine Gemeinschafts-Sukka in Jerusalem mit Live-Musik
Nachdem die Leute zum Essen in Sukkas sein
sollen, haben natürlich auch alle Restaurants
eine Sukka. Das ist die Jaffa Street in Jerusalem



























Gleich im Anschluss an Sukkot beendet "Simchat Torah" die Reihe der vielen Feiertage im Oktober.

Simchat Torah

Die Lesung der Torah (fünf Bücher Mose) ist in 52 Abschnitte unterteilt, damit an jedem Shabbat ein Abschnitt davon gelesen werden kann und man somit in einem Jahr die ganze Torah einmal durch gelesen hat. An Simchat Torah endet dieser Zyklus und fängt gleichzeitig von neuem an. Über die Jahrhunderte hat sich der Brauch entwickelt, dass man die Torah-Rollen an diesem Tag aus dem Torah-Schrank herausnimmt und um sie herum tanzt und singt.
Hier in Nahariya fand an zwei Plätze die Feier statt.


Die eine Feier, bei der wir als erstes waren, war die der eher liberalen und reformierten Juden. Unsere Gastfamilie hat uns das erklärt, doch wir konnten es auch so erkennen, denn auch Frauen konnten die Torah tragen und um die Schriftrollen tanzten sowohl Frauen, Männer als auch Kinder in einem Kreis. Das war bei der orthodoxen Veranstaltung anders. Wir fanden das tatsächlich nach einiger Zeit aber gar nicht mehr so eindrucksvoll und haben uns auf die Suche nach der anderen Veranstaltung gemacht.

 
Diese fand vor dem Rathaus statt und hatte zu dem Zeitpunkt noch nicht begonnen. Nach ca. 20 Minuten kam ein Rabbi auf die Bühne und hat eine kurze Rede gehalten, danach ging es los. Mit viel Musik wurden die Torah-Rollen in die Mitte des Platzes getragen und alle Menschen strömten dort hin, um die Torah zu küssen (sie berühren und dann die eigene Hand küssen). Ausschließlich Männer (die älter als 13 waren) durften die Torah halten.
Nach ungefähr einer viertel Stunde bildete sich dann ein Kreis von Männern, die um die Torah getanzt sind und dabei laut gesungen haben.
Eine ältere Frau hat Süßigkeiten an die Kinder verteilt, was ein bekannter Brauch zu Simchat Torah ist.
Die Stimmung war ausgelassen und sehr fröhlich. Ich fand es eindrucksvoll zu sehen, wie so viele Menschen (egal welchen Alters) so ein altes Buch so dermaßen abfeiern können!

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